Schönholzer, Johannes. - Das Denkmal zu Zarpath.

Schönholzer, Johannes. - Das Denkmal zu Zarpath.

Predigt über die Worte 1. Kön. 17. 8-17, gehalten den 16. Juni 1850 in Schönengrund von J. Schönholzer, Pfarrer.

Meine Freunde!

Wir pilgern heute eine Strecke mit dem großen Manne aus Gilead, den ihr Alle kennt. Mit diesem Gottesmanne lässt sich die Reise wagen über Land und Meer, und wenn's gar sein müsste, weiter, so weit der Mensch nur wandern kann und muss, durch Grab und Tod zum letzten Wanderziele, wo man allen Erdenstaub von seinen Füßen schüttelt, und Stab und Tasche und jegliches irdisches Bedürfnis ab- und niederlegt. - Mit diesem Manne? Nun wohl! Und ist er auch nicht bei den Großen dieser Welt empfohlen und läuft der Steckbrief König Ahos hinter ihm, unverzagt! Folgt ihm auch kein menschlich „Glück zur Reise!“ - er hat den Schutzbrief eines Herrn, der deine Fänger fangt und den Segen dieses Herrn, an dem der Fluch des Weltkindes und sein Hass zu Schanden geht.

Wir durchfliegen mit ihm einen Weg von vielen Meilen, ohne Aufschub, ohne Schilderung und irgendwelche Gemälde, obwohl gar manches liebliche Bild auch da zu zeichnen wäre! Es ist ja des Morgenlandes schöner Himmel, unter dem wir stehen! Es ist der Garten Gottes mit dem Schmelz und Duft, wie nur der Orient ihn hat und zeigt. - Und nicht nur der schöne Geist findet hier Genuss, auch das Gemüt, das still in sich gekehrt ist und einer andern Welt sein Auge zugewendet hat.

Nun, da ist die Wunderwelt ja ausgebreitet, in die die Engel Gottes auf- und niederstiegen und wo das neue Tor des Paradieses aufgegangen ist. Da rastet gerne auch ein frommes Herz! Allein für einmal eilen wir vorbei an alle dem. Der Führer, den wir in dem vorgelegten Worte an die Hand genommen haben, drängt und lenkt die Blicke auf das Wanderziel des Gottesmannes. Und nun dem Ziele zu! Dies nächste Ziel, auf das wir allhier hingewiesen werden, ist Zarpath und drin ein Denkmal, das uns zuruft: „Seid barmherzig!“

Bei diesem Denkmale wollen wir nun etwas rasten und hierbei forschen:

1) nach der Stifterin dieses Denkmals,
2) nach dem Segen dieser Stiftung.

Der Herr entzünde einen Eifer unter uns, zu wirken an dem Worte, das nicht vergeht! Amen.

I.

Meine christlichen Freunde! In Zarpath also sind wir eingezogen! Es ist eine Stadt im Lande der Phönizier, der Nachbaren Israels. Somit gibt es auch außerhalb Israel, Grund und Boden, wo man mit Jacob reden muss: „Gewiss ist der Herr an diesem Orte, und ich wusste es nicht!“ - Es ist eine Stadt von nicht geringem Range, ein Mittelglied des Verkehrs des weltberühmten Tyros und Sidon mit Israel und dem übrigen Osten. Und allda ist es ja, wo der Gott der Welt, der sogenannte Glücksgott, dem so Viele heute die Knie beugen, seinen goldbordierten Mantel schüttelt und reiche Schichten des Erdenglücks ablagert. Es gab in Zarpath nicht nur niedere Hütten, nein, es gab dort auch Paläste, die wie stolze, dünkelvolle Menschen auf die Niederen schauen, auf die armen Hütten niederschauten. Hohe Zinnen ragten in das blaue Firmament und blickten über Berg und Tal. Und manches Andere noch wäre da zu zeigen und zu sehen, und der bleiche Neid, der gerne die ganze Welt verschlänge, fände da auch Nahrung, um Dutzende zu beißen und zu verschlingen. Hier ein Rüsthaus für die sinnliche Begier und dort ein anderes mit Erdengütern angefüllt; dort ein Magazin und hier ein Platz mit allem Apparat für Augenlust und Fleischeslust!

Doch weg den Blick von dieser leeren Herrlichkeit! Ach, eine arme Herrlichkeit, die Herrlichkeit der Welt! Mehr als alle diese Herrlichkeit und diese Pracht ziert dieses Zarpath eine niedere Hütte, und mehr als seine reichen Herren in Gold und Seide ein armes Weib in Lumpen, die kaum zu beißen und zu brechen hat und ihre schmalen Bissen noch mit einem andern Wesen teilen muss. Mehr! sage ich, und es unterstützt mich da das Wort des Schreibers Gottes, der auf diesen Grund ein Denkmal setzte. Seht nur, jene stolze Herrlichkeit, die auch dich noch blendet, liegt im Staube, und ist ein ausgebrannter Schutt- und Moderhaufe! Aber diese arme Hütte der Zidonerin steht noch, und rettete ihr Bildnis bis in unsere Tage. Die schön geputzten Menschenkinder bis hinauf zum allgewaltigen Magistrat und Herrscher sind verschollen und vermodert; eine arme Witwe aber, die im Leben keine Rolle spielte und kein Aufsehen machte in den großen Zirkeln, wie manche andere Dame jeder Zeit - die kleinste und geringste unter Zarpaths Töchtern, - hat sich durch eine einzige Tat ein ewig Denkmal aufgebaut. Ein Denkmal? Ja, ja! das Denkmal, das da vor uns in dem Bibelbuche abgezeichnet ist. Ihr gehört der Denkstein, der von Allem einzig überblieben ist, was Zarpath einst umschloss, und so weit und lange das Wort der Boten Gottes redet, redet und zeugt es auch vom Preis der Armen zu Sarepta! Die Ärmste überstrahlt die stolze Herrlichkeit! Ihre Lappen sind zu einer Ewigkeit berufen, und die Purpurkleider sind samt ihrem Futter Staub geworden und vermodert! Seid ihr noch neidisch, die ihr euch nicht in die ersten Reihen drängen und hoch herfahren könnt im Leben? Seid ihr noch traurig, dass ihr nicht in weichen Kleidern gehen und täglich euch vergnügen könnt, sondern durch die Niederungen dieses Erdenlebens zichen müsst? Ach, lasst den Neid, den niederen, kleinen Neid, den nur die kleinen und gemeinen Geister kennen, und nie ein edel Herz erträgt! Es braucht keinen Palast, der über anderer Menschen Hütten ragt; es braucht nicht Pracht, die den Toren imponiert und ihre Augen füllt; es braucht nicht jener ganzen irdischen Erhabenheit, nach der die Meisten haschen, um einen Namen sich zu machen und ihn einzuzeichnen in die Chronik. - Nein, Freund, es braucht nicht mehr, allein auch minder nicht denn ein gut gesinntes Herz und eine edle Tat, die in jenem Wurzel hat, und dein Name steht, wenn auch nicht in dem Chronikbuche der Welt, doch und das ist wahrlich besser - in der Chronik Gottes und in seinem Lebensbuche. Das ist das Mittel, um sich einen Namen, der nicht nur groß, auch unvergänglich ist, zu machen. Fraget da den Mann, mit dem wir zur Zidoner-Stadt gezogen sind. Er unterstützt, denke ich, mein Wort, und dort das andere Bildnis der Zidonerin stimmt ein und sagt, dass man auch nicht einmal ein Mann aus Gilead mit einem Flammenmunde und Prophetengeiste müsse sein, um groß vor Gott und aller Welt zu werden und sich ein ewig Denkmal aufzurichten, an dem der Zahn der Zeit vergeblich nagt.

Du fragst nach den Erfordernissen? Begreiflich, dass du dieses tust, wie's unbegreiflich ist, wenn und wo mans unterlässt. Wer hat nicht so viel Eigenliebe oder Liebe zu sich selbst, dass er sich, wenn er's kann, ein Lob und einen Namen machen will? Dann aber kann er solches Denkmal, wie es da der Witwe zu Sarepta und von ihr gesetzt ist, nicht umgehen. Und solchen Namen sich zu machen und solchen Denkstein sich zu setzen, ist erlaubt vor Gott und Menschen, und Ehrgeiz dieser Art zählt zu der Tugend. Und muss man und zumal auch heute Etwas bedauern, so ist es dies, dass diese Art von Ehrgeiz heute so wenig Herzen stachelt und ergreift. Hat solches Denkmal denn so wenig Wert, dass es so wenig angesehen und gewürdigt wird? Ach Gott! ich meine ein Denkmal, welches ewige Dauer hat, ist wohl von gleichem, oder will ich sagen, höherem Werte als ein zeitlich Lob; ein Name, auf dem ewigen Grunde eingegraben, zehn Mal besser als ein Name, der auf diesem Erdengrunde eingepinselt oder eingegraben ist, und auf dem Blätter prangen, die in dem Sturme der Zeit verweht und fortgetragen werden. Und solchen Namen zu erwerben braucht es nicht der Mühe und des Aufwandes, nicht des Streites und Kampfes, durch die man in der Welt sich einen Namen und ein faules Lob erstreiten muss. Man kauft ihn leichteren Preises!

Aber nicht umsonst geht es, und die da meinen einen Namen in dem Lebensbuche und vor Gott zu haben, und haben nie darum gekämpft, die stecken schwer und liegen tief im Truge. Es braucht auch, und was es braucht, steht hier vor uns zu lesen, ein schönes Beispiel einer menschlichen Gesinnung, welche krönt und adelt und einstmals herrlich lohnt! Folgen wir für einen Augenblick dem Worte, das vor uns liegt.

Ein Wanderer schreitet eben jetzt auf Zarpath zu. Ihr kennt den Mann? Ja, der ist's, mit dem wir aufgebrochen und hierher gezogen sind. Nach dem Abstecher wieder etwas zu dem Mann zurück. Auf göttlichen Befehl ist er vom Bache Krith hierher gepilgert. Er hat den Hass der Reichsgewalt von Israel auf seinem Rücken, und die Verfolgung spürt und wittert seine Wege auf; allein der Herr hilft seinem Knechte, und deckt ihn mit dem mächtigen Schilde der Vorsicht, die er uns auch einem Jeden werden lässt, wenn wir die von ihm gewiesenen Wege gehen und seine Werke wirken. Erschöpft steht er am Tore zu Zarpath, bedeckt mit Schweiß und Staub, müde von langer Wanderung, und lechzt nach Wasser und nach einem Stücklein Brot. Das wird es dort zu Zarpath Alles geben wirst du denken. Wohl! allein er hat nicht Tasche und nicht Beutel, womit man alle Welt gefällig macht und Not und Schrecken von den Pilgerwegen jagt, und Freude und Ergötzen darauf zaubert. Ein armer Mann, im vollsten Sinne nach dem Urteile einer Welt, die allen Reichtum nur in Außendingen und in einem ordentlichen Maße von irdischem Besitze sieht. Ohne alle solche Quellen ist dieser Mann und noch im fremden Lande! Allein das drückt ihn nicht; auf seinem Angesichte liegt die sichere Ruhe, wie sie nur ein höheres Vertrauen gibt, und von den Lippen schwebt das Wort: „Bis hierher hat der Herr geholfen!“ Und warum je verzagen, wenn er schon durch tausend Nöten glücklich durchgegangen ist? Und dieser Mann voraus hat es nicht nötig, denkt aber freilich auch nicht ans Verzagen. Ein reiches Leben hinter ihm sagt ihm: „der Herr ist nah; sorge nicht!“ Und hat er auch nicht Geld und Beutel wie ein Kind der Welt wie, Freund, ist denn der Beutel, der so viele Herzen heute verrückt, durch nichts, gar nichts im Leben aufzuwiegen? wohl! und dieses hat der Mann aus Gilead. Und wenn ich dir auf deinem Pilgerpfade etwas wünschen soll, ach! so ist es nicht, was du so sehnlich suchst, und unterpfändest dafür unbedenklich Heil und Seligkeit; es ist ein Ding, das Vielen heut zu Tage wertlos scheint, und ist doch mehr wert als ein Hof und Kapital und Zinse. Was denn? auf das der Mann aus Gilead vertrauend ankert, und bietet unbedenklich einer reichen Welt voll Überfluss und einem Königsthrone Trotz? - Das Ding? Nun! Es ist ein Schutzbrief und Anweis und Empfehlung von dem Himmelsthrone. Dies wiegt unbedenklich mehr als aller Herren Empfehlung und ihr schweres Geld. Und damit ist er ausgerüstet, unser Mann. Hört! der ihm die Reiseroute geschrieben: „Mache dich auf und gehe gen Zarpath“, der bemerkt ihm noch ein anderes in sein Gedenkbuch: „Denn ich habe daselbst einer Witwe geboten, dass sie dich versorge.“

Also mit Empfehlungsbriefen Gottes reist der Mann aus Gilead! Nun wohl; allein wer nimmt denn solche an? denkst du; wer hört auf Gottes Wort, das allen Menschen predigt: „Seid barmherzig, wie euer Gott im Himmel auch barmherzig ist“, und lässt nicht eines seiner Vögelein verzweifeln und verzagen? Wo, fragst du, ist dieser Samaritersinn und dies barmherzige Pulsieren in den Herzen für den armen und verlassenen Pilger? wo die Herzlichkeit und Mitgefühl für seine und zumal die fernen fremden Brüder? Ich kann nicht schelten, wenn du für den Erdenpilger, für den Leidenden und Schwachen, für den Hungrigen und den Entblößten, wie in jenen so in unseren Tagen, bangst und stellst dir ihre Not beträchtlich vor, und tief und schwer ihr Weh. In Vielen, Vielen lebt der barmherzige und milde Sinn nicht mehr, und jenes warme Samariterblut versiecht und stockt in ihren Herzen. Doch es fließt auch immer noch ein kleines Bächlein milden Sinnes, der um Gottes willen lebt und wirkt durch die unfruchtbaren Steppen dieses Lebens, damals und heute noch, und noch kann man immer auch ein Menschenbild erblicken, das Gottes Ebenbild, und nicht die Fratze dieser Welt zu tragen sich müht, in der so Viele sich gefallen. Wo, wo diese Bächlein einer seltenen Gnade rieseln? wo die Herzen aufzusuchen und zu treffen seien, an denen noch ein göttlich Stücklein haftet, und sind um Gottes willen gütig und barmherzig? Nun, mit seltener Ausnahme da, wo wir sie nimmer suchen würden. Wohl da, mein Freund, wo's Freude und nicht im Geringsten Sorgen und Beschwerden brächte, mit einer Last, die selber drückt, die Lasten anderer aufzuheben und sich seine eigene damit auch in Segen zu verwandeln? Man mag so rechnen, rechnet aber in mehr denn tausend Fällen falsch, bis man ein einzig Mal es trifft. Falsch! falsch! lies da, und Zarpath ist in dieser Hinsicht ein Bild von aller und auch unserer Zeit! An wen lautet die Empfehlung Gottes für den Diener seines Wortes? An die Paläste und die stolzen reichen Bürger der Zidoner-Stadt? Wen hat der, der auf dem Himmelsstuhle sitzt, zum Werkzeuge auserkoren? Wen hat er tüchtig und wert erfunden, ein Gefäß von seiner Liebe und Barmherzigkeit zu sein? Sind's die Edlen mit den Ordenssternen? ein Glied aus der galanten Welt? ein Haus mit Überfluss und Fülle aller Lebensgüter? Verfehlt! lies nach! Da steht: „Und da er vor die Türe der Stadt kam, sah er ein Weib, das Holz auflas, und sprach zu ihr: hole mir ein wenig Wasser im Gefäß, dass ich trinke“, und nachher noch die weitere Forderung: „und bringe mir auch ein wenig Gebackenes, ein Stücklein Brot!“ Wer ist es so, an den der Vater in dem Himmel seinen Knecht empfiehlt? Eine Arme dieser Erde ist's; ja, eine Arme, die selber nichts oder doch nur für den Augenblick zu brechen und zu beißen hat, und sammelt sich die Späne und den Abbruch von dem Überflusse der Reichen zu dem täglichen Bedarf.

Das arme Weib zu Zarpath übernimmt die hohe Stelle einer göttlichen Verwalterin! Das ist ein hoher Posten, und nicht ein Jeder dazu tüchtig, und zumal sie sind nicht zu diesem Posten tüchtig, die sich einen Namen als Verwalter dieser Welt erworben haben. Auch ihr fällt's schwer, die hier mit dieser Würde obenher bekleidet wird und seinen Diener speisen soll! Allein nicht darum fällt's ihr schwer, weil karger Sinn die Hand verschlossen hat; nein, ein Anderes macht ihr's schwer. Mit Kummer und Betrübnis hört sie die Bitte jenes Gottesknechtes, weil sie sich sagen muss, dass ihr für ihr eigen Haus das Brot gebreche. Sie schwebt selbst in der tiefsten Not, in der das Menschenkind nicht rückwärts und nicht vorwärts kann, wo Tränenwasser rauschen und in die trübe Nacht kein Lichtblick irgendeiner Hoffnung fällt. Sie schaut den Mann mit einer großen Träne in dem Auge an und klagt ihm ihre bittere Not, in der kein Trost zu finden sei. „Fürwahr“, redet sie, ich habe nichts Gebackenes als eine Hand voll Mehl im Kad und ein wenig Öl im Krug!“ Sie kündet ihm die traurige Entschließung an, zu welcher sie gekommen sei, und dass sie auf den Todesweg sich rüste. Hört: „Und ich lese“, fährt sie fort, „ein Holz und zwei zusammen und gehe hinein, und will mir und meinem Sohne zurichten, dass wir essen und sterben.“ Ein herbes Loos und große Not! Ja wohl, mein Freund! Dergleichen hast du wohl noch nie erfahren, und bist noch nie so tief gegangen in den Trübsalswassern. Allein auch da ist noch nicht jede Hilfsquelle zugestopft; ja, so arm und trostlos da auch Alles scheint: es ist da wahrlich weit mehr Reichtum als mancherorts, wo volle Speicher oder reich gefüllte Kisten ächzen, und die Hand zu helfen ist da näher und williger bereit als da, wo man nur schöpfen kann.

Ihr schaut mich an mit wundergroßen Augen! Was hätte denn die arme Hand und dieses hungrige Weib? Gesinnung, himmlische Gesinnung, Herz und herzliches Erbarmen mit dem Wandersmann! Und damit wird geholfen und kann allein geholfen werden, heute wie einst und in allen Nöten. Es ist nicht der Reichtum, nicht das Kapital und äußerer Besitz, die, wie im Kleinen so im Großen, heilen und die Quelle aller und jedweder Not verstopfen. Nein, wahrlich nicht, und Jeder mag es aus Erfahrung wissen. Das kommt nur aus einer Gesinnung, ohne die nichts wahrhaft Großes in der Welt geschieht, und ohne die die Welt zu einem unfruchtbaren Acker wird, der keine gute Frucht hervor treibt, sondern in den Disteln und den Dornen strotzt. Es ist der Glaubenssinn oder das Vertrauen, dass ein Herr im Himmel lebt und über Allen waltet, bei dem ein „Aufgeschoben“ kein „Aufgehoben“ ist, der jedes große Werk vollbringt und tüchtig macht zu allem guten Werk! Und das ist der Reichtum dieses armen Weibes zu Sarepta. Kaum hört sie die Ermutigung des Dieners Gottes und die Verheißung jenes Herrn, dem es gleich ist, mit Viel und Wenig helfen, und der Weg hat aller Wegen, - ich sage, wie sie die Verheißung aus dem Munde des Gottesmannes vernimmt: „So spricht der Herr: das Mehl im Kad soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkruge soll nichts mangeln“; da eilt sie freudig hin, bereitet, was sie hat, deckt ihren Tisch und teilt im Vertrauen auf diesen Herrn den letzten Bissen mit dem Hungrigen. Sie fragt nicht, was so Viele, die nicht Glauben haben, fragten und noch fragen: „was will ich morgen brechen, wenn ich heute Alles brauche?“ Sie weiß, der große Hausherr, der die Lilie auf dem Felde kleidet und die Raben speist und für den Sperling sorgt mit liebevoller Sorge, weiß seine Pflicht, und tun wir nur erst unsere Pflicht, so wird er nicht ermangeln, die seinige an uns zu üben und zu erfüllen. Die Gesinnung gibt den Armen in der tiefsten Not die Kraft zu einem edlen, schönen Bruderwerke! Und die Gesinnung wieder ist's, die ihr das unvergängliche Denkmal auf der Erde baute und ihren Namen hoch über alle Namen zu Sarepta setzte, und über tausend und aber tausend Namen, die einst in Israel gegolten haben und die heute glänzen in der Welt. Ein beschämend Beispiel für uns Alle, die so oft nicht haben, wenn es Gutes tun und edle Werke stiften gilt, und ein Fingerzeig für die Armut unserer Zeit, die glaubt verdammt zu sein zum trägen Nichtstun und ewigen Erlöschen unter ihren reichen Brüdern. Da steht's, dass auch auf Armutspfaden Gelegenheit zu segensvollem Wirken sei und solche Wirksamkeit auch dem Armen möglich ist; wie da auch die Gefahr weit ferner liegt, sein Herz zu verhärten und verstocken vor der Not die Brüder, wenn sie an die eigene Türe klopft mit ihrer schweren Hand. Das predigt dieser Denkstein des Zidoner-Weibes Allen, die da meinen, dass es Haufen Goldes und Gutes und Überflusses brauche, und braucht doch nur einen festen und entschiedenen Willen, der in einem göttlich-reinen Sinne wurzelt, um einen Segen sich zu schaffen und einen Namen, der größer als der Name eines Welteroberers und Herrschers ist. Und wie das Weib aus Zarpath und ihr Werk von der Kraft der Armut, die von dem Vertrauen zu Gott nicht ablässt, zeugt, so liefert sie uns auch ein rührendes Beweisstück für das Wort des Heilandes: „Geben ist seliger als nehmen!“

und weist die Armut an, in Sammlung ihrer Kräfte und in gottgefälligen Opfern ihr Loos zu verbessern, und nicht in eigennützigem und erschlaffendem Nehmen, und im Begehren ohne Sättigung das Heil zu suchen. Aus solchen Opfern und aus einem Sinne, der solche Opfer weiß zu bringen, wächst der Armut Heil, und an dem Gottvertrauen steht sie auf von ihrem Siechtum zu einem neuen Leben, das ihr und Andern Segen bringt. Das predigt uns die Nachschrift dieses durchgegangenen Wortes, die

II.

von dem Segen dieser Stiftung redet. Freunde! folgen wir der Witwe von Sarepta in ihr Haus, und rechnen wir da nach, was die Gabe der Armen der Armut einträgt. Hinein! so Viele für die stille Herrlichkeit und den verborgenen Reichtum, der im Menschengeiste liegt, ein offenes Auge haben! Euch will ich nicht bemühen, die an dem Flitter dieser Zeit ein brauchbar Auge verderbten. Ihr findet allda nichts, und wenn ich euerem Sehsinne die viel benutzten, aber abgenutzten Vergrößerungsmittel leihen würde. Ihr seht, und Gott sei es geklagt, in Jedem, der nicht euren Schnitt und einen Rock, der dem euren ebenbürtig ist, vermag nur einen Menschen von geringem Werte, und in der armen Hütte wohnt, nach eurer Ansicht, nichts, das für ein Herz von Stand beachtenswert und lehrreich und der Nachahmung würdig wäre. Ihr rechnet gut in mathematischen Größen, allein ein Glaubensexempel seid ihr nicht im Stande zu lösen. Nun, ihr wisst, der Mann aus Gilead geht bei dem armen Weibe zu Zarpath zu Tische, und teilt mit ihr und ihrem Sohne das ohnedies schon schmale Stücklein Lebensbrot. Was ist der Eintrag? Nach dem gemeinen Sinne, mit welchem Viele rechnen und verkehren, trägt das nur größere Not, Schmälerung des schon schmalen Bissens, neue Sorge und äußerste Verlegenheit ihr ein. Verrechnet! Gerade das Umgekehrte von dem Fazit deiner Rechnung steht da geschrieben, und lesen wir in vielen andern Lagen und ähnlichen Verhältnissen. Und wie könnte es anders sein? Gottes Wort steht fest, und dieses sagt, hört: „Selig sind die Barmherzigen!“ und mit Bezug auf die Armut: „Geben ist seliger als nehmen!“ Und kommt und schaut in die Hütte der Samariterin zu Sarepta! Da steht es klar erwiesen. Vor wenig Tagen war da schwarze Not und bleicher Kummer; jetzt steht die Freudenlampe auf dem Tische, und flackert hell und klar zur Freude der Bewohner. Vorhin schwand Tag für Tag der Vorrat in dem Kad, und das Öl im Kruge zerrann; seit aber mit der schönen Tat ein edler Eifer und Gott vertrauender Mut ins arme Haus der Witwe eingezogen ist, wächst jener Vorrat, oder mag sich doch nicht zu erschöpfen. Hört: „Und das Mehl im Kad ward nicht verzehrt und dem Ölkruge mangelte nichts, nach dem Worte des Herrn, das er geredet hatte.“ Und er hat's geredet für die gesamte Armut dieser Erde, und mancher Andere hat's erfahren, dass auch dem Armen Taten möglich sind, die selbst den Reichen in dem Überflusse beschämen, und wenn ins Haus und Herz das Gottvertrauen einkehrt und alles Werk und unsere Hände leitet, der Armut einen goldenen Boden schaffen. Aber Gottvertrauen gilt es erst, und mit und in dem Hand anlegen; sonst zerstreut man statt zu sammeln, und findet nicht den goldenen Boden für sich selbst, und nicht die Mittel und die Kraft zu einem göttlich schönen Werke und edlen Wirken.

Es ist ein eigen Ding, der Segen und die guten Werke, die man ausstreut, wirken immer auch zurück und bringen wieder Segen ein! Und, ach, dass man das immer mehr verstehen und begreifen lernte! Man schlägt die Wahrheit immer noch zu wenig an. Glaubt's, meine Freunde, wer segnet und stiftet gutes Werk, der wirkt nicht nur für Andere, er mehrt auch seinen guten Schatz, und erntet Zeitliches und Ewiges. Das Geben mehrt, das nimmersatte Nehmen mindert und zerstreut. Und daraus wirst du wohl verstehen, warum dein Seligmacher mahnt: „Segnet, die euch fluchen!“ und der Apostel Paulus uns ermuntert und zuruft: „Herbergt gerne!“ Es ist kein gutes Werk, das nicht mit der Zeit in reichem Segen aufgeht, und die barmherzig sind, die finden oftmals hier schon ein beneidenswertes Glück, um das der karge Sinn sich samt dem ewigen Heile bringt. Hört: „Manche haben Engel beherbergt, ohne dass sie es wussten“, lesen wir. Und das Wort ist Wahrheit, und kein Märchen. So ging's der Witwe zu Sarepta. Und es kann sich heute noch ereignen; Gottes Engel gehen heute noch durch diese Erde, und ist's nicht jederzeit ein Engel, Gott weist noch heute an dich auch andere an, wie dort den Gottesmann aus Gilead, und will bald da bald dort ein Scherflein von dir haben. Und sehen wir es näher an, so will er eigentlich dein Scherflein nicht, und indem er fordert, kommt er immerdar mit Gaben. Er ist ein reicher Herr, der nicht von unserer Armut lebt, und wenn er da und dort ein Scherflein fordert, so will er einzig dein Vertrauen, das sich im freudevollen Geben zeigt, und zu demselben deine Hand, durch die er in dem Leben dieser Menschheit wirkt. Das Andere tut er Alles selbst dazu. Und schon durch solch' ein unbedeutend Werk machst du dir einen großen Namen in den Himmeln, sei's, dass du ein Kind des Herrn erquickst mit einem Becher Wasser, oder sei's, dass du sein Werk auf Erden bald so, bald anders unterstützt mit einem einzigen Heller, den du dir erübrigst. Ja wohl, mein Freund, und noch einen andern Segen stiftest du damit, der hier schon seine Bäche segnend ausgießt über dich. - Wer hier sich tüchtig zeigt in seinem niedrigen Berufe, in Wenigem, das ihm gegeben ist, und das Vertrauen nicht wegwirft, den setzt Gott über mehr, immer neue Kräfte und größeres Vermögen, und gibt für diese ihm ein neues, weiteres Wirkungsfeld. Das hat wohl Mancher schon erprobt, und, rechne ich, auch unter uns, dass man mit Gottvertrauen und frommem Sinne wohlfährt und Gutes tun nicht arm macht, sondern reich! Ja reich, und zu größerer Tätigkeit befähigt wurde mancher arme Mann, der Gott vertrauen und auf seine Hilfe hoffen lernte; und nicht die Schrift allein, das ganze Leben mahnt: „Tut Gutes allezeit!“ und: „Seid barmherzig!“ Der Satz steht unentwegt: „Geben ist seliger als nehmen!“

Und nun zum Schlusse noch ein Wort. Man sucht in unseren Tagen überall nach Heilquellen und Schatzgruben, um der Not und Armut ab- und dem Wohlstande aufzuhelfen. Man glaubt sie zu entdecken in den goldenen Adern, die im Schoß der Erde liegen, und in goldenen Plänen, die der Menschengeist erdichtet, und meint, es liege in des Menschen Kraft und Eigenwillen, den wüsten Kobold, der unser Glück zerstört, hinauszuwerfen und den freundlichen Gespielen unseres menschlichen Ges schlechtes, das Glück, in unsere Hütten einzuführen. Man meint, es handle sich allein ums Nehmen und Erwerben auf dem niederen Erdengrunde, ums Schaben und Zusammenraffen. Ach, man hat ja lang genug gerafft und den Versuch so viele Mal wiederholt! Wo ist der Erfolg? Wir schneiden immer tiefer in die Not hinein, und wahrlich nur aus dem und keinem andern Grunde, weil man den reichsten Quell bei Seite lässt und täglich mehr vergisst, wo das Heilkraut für des Lebens Weh im Herzen und Haus und ganzen Leben wächst. Wo wir diese finden? Nun, sind's große Schätze dieser Welt, an denen zwar der Mensch zu beißen hat, müsste aber trotz derselben ewig hungern an Leib und Seele, wenn nicht Einer Vatergedanken über uns hätte, obwohl wir nur Arges sinnen? Finden sie sich in den reichen Hütten, die vom Fette des Überflusses triefen? Ach, wie oft sind sie nur bitterer Armut schöne Hülle! Und was macht den Menschen reich und glücklich? Ist's die Pracht und Herrlichkeit, die er zur Schau trägt, und mag die Augen vieler Toren reizen, aber lässt die eigenen freudenleer? Eine törichte Rechnung, die ihren Meister sattsam zeichnet. Der reichste Brunnen und eine Vorratskammer, die sich nie erschöpft, ist frommer Sinn und das Vertrauen, das seinem lieben Gott, „der seine milde Hand auftut und nähret Alles, was da lebt, mit Wohlgefallen“ noch einigen Kredit verleiht, und in Kindesweise nicht nur auf tote Zahlen und blinde Haufen baut, sondern Gottes Führung traut. Solcher Sinn fährt gut. Und die reichste Hütte ist somit - täuschet euch nicht, ihr irrt euch gerne! die reichste Hütte ist: die von der bösen Lust und sündlichen Begierde, von Unrecht und von Trug durch Gottes Wort gescheuert ist, und prangt im Sonntagskleide der Gottesfurcht und heiliger Sitte; das reichste, weichste Lager ein Gewissen, das Frieden hat mit Gott, und der Reichste aller Menschenkinder drum, der sagen kann und sagen, weil er glaubt: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln; er führt mich auf grüne Weiden und leidet mich zu klaren Wasserbächen!“ Da gibt es niemals ein so übles Fazit in der Rechnung, wie wo die Erdenklugheit rechnet, und gäbe es jemals eins, so bringt's der große Hausherr über uns auf leichte Weise, mit einem einzigen Worte in Ordnung. Und in der Gefahr und Not, die uns erreichen könnte, wird die Seele nicht versinken und um die Fassung kommen, wenn sie auf dem Glaubensgrunde fußt. Das Wort des großen Reichsfürsten, des Herrn der Zeit und Ewigkeit, hält und trägt sie über allen Schicksalswogen. Und heute noch tröstet er durch seinen Geist und zeugt in das vertrauensvolle Herz: „Du bist mein; ich will dich durch Meer und Wasser tragen, die Flammen sollen dich nicht sengen und die großen Wasser nicht ersäufen!“

Wir wollen von Sarepta Abschied nehmen! Jedoch mit anderer Gesinnung, als wir es begrüßten, scheiden wir. Wir haben uns, auf das krumme schwache Stäbchen des Selbstvertrauens gestützt, hierher geschleppt. Mit dem starken Stabe des Glaubens wollen wir das Wanderleben weiter fortsetzen! Auf Münzen dieser Welt hat unser Herz bisher vertraut, fürder soll es Gott vertrauen, und wenn unten wilde Wasser tosen, nicht verzagen, sondern in die Höhe steuern. Wir waren karg bisher aus Mangel an Vertrauen; wir wollen fürder reich im Geben und im Dienen sein, im Bewusstsein, dass Gott Zinsen zahlt, und dem, der gibt, mit Wucher wieder gibt. So haben wir, was wir bedürfen, einen starken Stab, das rechte Reise- und Taschengeld, ein Licht im dunklen Erdentale, das kein Sturm ausbläst, und an dem Torschlusse dieses Lebens Pass und Eintritt in ein ewiges Leben! Amen.

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