Kunel, Christian Klaus - Wesen und Ziel der antichristlichen Bewegungen der Gegenwart

Kunel, Christian Klaus - Wesen und Ziel der antichristlichen Bewegungen der Gegenwart

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei und bleibe mit euch allen! Amen!

Text: 1 Joh. 4, 1-6.

Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeglichen Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt. Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: Ein jeglicher Geist, der da bekennt, dass Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist von Gott; und ein jeglicher Geist, der da nicht bekennt, dass Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Widerchrists, von welchem ihr habt gehört, dass er kommen werde, und ist jetzt schon in der Welt. Kindlein, ihr seid von Gott, und habt jene überwunden; denn der in euch ist, ist größer, denn der in der Welt ist. Sie sind von der Welt; darum reden sie von der Welt, und die Welt hört sie. Wir sind von Gott, und wer Gott erkennt, der hört uns; welcher nicht von Gott ist, der hört uns nicht. Daran erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Irrtums.

Geliebte Gemeinde! Ich ward zur Wahl des eben verlesenen Textes und zu der sich daran knüpfenden Betrachtung durch jene Worte des Apostel Paulus bewogen, die er zu den Ältesten und Oberen der Gemeinde zu Ephesus sprach, als er für immer von ihnen Abschied nahm. „Habt Acht, wird hier den Leitern und Vorstehern der Gemeinde gesagt, habt Acht auf die ganze Herde, zu weiden die Gemeinde Gottes, welche er durch sein eigenes Blut erworben hat. Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied werden unter euch kommen gräuliche Wölfe, die der Herde nicht verschonen werden. Auch aus euch selbst werden aufstehen Männer, die verkehrte Lehren reden, die Jünger an sich zu ziehen.“ Hatte aber diese apostolische Ermahnung zur Wachsamkeit je Bedeutung für die Diener und Lehrer an der Gemeinde, muss sie dann in dieser unserer Zeit nicht noch eine ganz besondere Bedeutung haben? Ist unsere Zeit nicht vor allem reich an Irrlehrern und Verführern, die die Gemeinde Gottes verstören wollen? Sind in unserer Zeit nicht alle feindlichen Kräfte tätig, um den göttlichen Grund, auf dem die Kirche Christi erbaut ist, zu unterwühlen und wankend zu machen? Viele haben es vorausgesagt, dass die Bewegung, die auf dem Gebiet des bürgerlichen Lebens begonnen hat, zuletzt auf dem Gebiet der Kirche alle ihre Kräfte zusammenfassen werde, um hier mit einem Male jede sittliche Scheu, jede sittliche Schranke, allen Glauben und alle Hoffnung zu Gott zu vernichten, und dann das Werk der Zerstörung von Grund auf zu beginnen. Jene Befürchtung ist nun bereits zur bittersten Wahrheit geworden, und wird es mehr und mehr werden. Wohl, der Kampf gegen das Christentum ist nicht von heute noch von gestern her, und wer erkannt hat, wie verschieden der Geist Christi und der Geist dieser Welt ist, der verwundert sich auch nicht darüber, haben uns doch Christus selbst und die Apostel durch ihre Hinweisungen auf die Zukunft auf das bestimmteste für diese Kämpfe vorbereitet. Auch ist zu unserer Zeit diese Feindschaft gegen Christum schon lange tätig gewesen, und oft genug ward er schon auf Kanzeln verleugnet, wo seine Ehre gepredigt werden sollte. Aber trotzdem ist es jetzt eine ganz andere Sache, als es noch vor kurzem war. Alle früheren Anfeindungen gegen das Christentum erscheinen nur als ein Spiel, als ein Kindestraum im Vergleich gegen die furchtbare Entschiedenheit, gegen den tiefen Grimm, mit dem man jetzt zugleich mit dem Christentum überhaupt jeden Gottesdienst und jeden frommen Gedanken vernichten möchte. Auf diese Bewegungen unserer Zeit kann man mit voller Geltung die Worte unseres Textes anwenden: „Das ist der Geist, des Widerchrists, von welchem ihr gehört habt, dass er kommen werde, und ist jetzt schon in der Welt.“ Uns Predigern liegt es nun ob, ein treues Zeugnis der Wahrheit abzulegen, und unsere Gemeinden in der Zeit der Gefahr nicht ratlos zu lassen, sondern darauf hinzuwirken, dass sie die tiefe Feindschaft gegen alles göttliche beurteilen lernen, aus der diese Angriffe hervorgehen, damit sie unverwirrt und auf dem Grund der heilsamen Lehre unerschüttert bleiben. Uns liegt es ja ob, zu wachen über die Gemeinde Gottes, welche er durch sein eigenes Blut erworben hat. Hier würde man durch Stillschweigen nicht mehr seine Liebe zum Frieden beweisen. Wo kein Friede mehr möglich ist, da soll man auch nicht mehr Friede rufen. Wer die Wahrheit liebt, der muss auch die Lüge hassen, und ihr mit aller Entschiedenheit entgegen treten. Und jetzt, meine Lieben, handelt es sich nicht mehr um einen untergeordneten Gegensatz, den man in Liebe und Geduld ertragen könnte, jetzt handelt es sich um ja oder nein, es handelt sich um Christentum oder Wider-Christentum; denn der Geist des Widerchrists ist es, der in den Bewegungen dieser Zeit tätig ist. Zwar unsere Gemeinde ist durch Gottes Gnade wenigstens noch nicht offen in den Strudel dieser Bewegung hineingerissen; aber überall fordert der Wahnsinn der Zeit seine Opfer, und wie lange wird es währen, so entbrennt vielleicht auch in unserer Mitte der offene Kampf, und wer nicht gegründet ist in der Wahrheit, wird von der Lüge mit dahin getrieben auf der verderbensvollen Bahn? Wenigstens hat auch in unserer Gemeinde der verderbliche Keim schon hier und da Wurzel geschlagen. Wir nun wollen unsere Pflicht tun; wir wollen lehren, ermahnen und warnen. Wohl aber wissen wir, dass wir Niemand zur Wahrheit zwingen können. Wer einmal abfallen will, der wird auch unsere liebevolle Ermahnung nicht mehr achten; der Taumel der Lüge verschließt das Herz auch dem letzten warmen Hauch der Liebe. Wir predigen auch nicht unsertwillen, sondern um Christi willen, und wir wollen den einzigen Trost haben, dass wenigstens durch unsere Schuld keiner verloren ging. Aber auch ihr, meine Lieben, müsst das eure tun, auch ihr müsst in dieser Zeit der Gefahr mit aller Sorgfalt wachen, dass Niemand durch eure Schuld verloren gehe.

Zu dieser Sorgfalt fordert uns auch der Apostel Johannes in unserem heutigen Text auf. Er ermahnt in Neuerungen, die sich erheben, alle Christen zur ernstesten Prüfung, zur ernstesten Wachsamkeit. „Ihr Lieben, sagt er, glaubt nicht einem jeglichen Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt.“ Johannes gibt uns aber auch zugleich das Kennzeichen an, an dem man die Wahrheit und die Lüge prüfen kann, an dem Wahrheit und Lüge offenbar werden muss. „Daran, sagt er, sollt ihr den Geist Gottes erkennen: Ein jeglicher Geist, der da bekennt, dass Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist von Gott; und ein jeglicher Geist, der da nicht bekennt, dass Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist nicht von Gott, sondern das ist der Geist des Widerchrists.“ Das ist also die alte, sichere apostolische Regel und Richtschnur der Wahrheit, auf der die Kirche Christi gegründet ist, und auf der alle wahren Anhänger Christi gegründet bleiben werden. Wer Jesum Christum, den Sohn Gottes als den Erlöser der Menschheit bekennt, der ist aus der Wahrheit; wer das leugnet, der ist aus der Lüge, der ist getrieben vom Geist des Widerchrists. Nur auf dem Glauben an die göttliche Erlösung durch Christum ruht aller wahre Trost, alle wahre Weisheit und Erkenntnis, alle wahre Hoffnung des Menschen; nur dieser Glaube verleiht ihm wahre Würde und einen göttlichen Beruf. Aus Gott kommt er, durch Gott wird er erlöst und verklärt, um zu Gott zu kommen. Das Gericht über die Sünde ist überwunden durch die erlösende Liebe; die Fremdlinge sind heimgekehrt, da der eingeborene Sohn des Vaters sie selbst zur Heimat geführt hat; die Schwachheit und Nichtigkeit wird verklärt zu göttlicher Kraft und göttlicher Vollendung, da der Abglanz des Vaters das Bild unserer Niedrigkeit an sich getragen hat, um uns zu überkleiden mit seiner göttlichen Herrlichkeit. Nur in diesem Glauben wird jede Sehnsucht gestillt und zur Wahrheit; nur in diesem Glauben findet jede göttliche Ahnung, jeder göttliche Drang, den Gott in unser Herz gepflanzt hat, seine Befriedigung. Und jedes Herz, das in den Fesseln der Fremde noch der Heimat denkt, das im Irrtum noch die Wahrheit liebt, das trotz aller Götzen, vor denen es sich beugt, doch den Tempel des einen wahren Gottes nicht zerstört, den Gott selbst in ihm aufgebaut hat, jedes Herz, das im Trug und im Lärm der Welt immer noch mit Freuden den göttlichen Sabbatsruf vernimmt, jedes wahrhaft menschliche Gemüt fühlt den vollen Lebenshauch der ewigen göttlichen Liebe, erkennt die aufgehende Sonne des ewigen, vollendeten Lebens, wenn sich ihm der Verheißene offenbart, er, auf den Israel hoffte, nach dem die Geschichte aller Völker fragt, den jedes Menschenherz sucht, auch wenn es seinen Namen noch nicht kennt. Jedes Herz, das in sich selbst nicht die Wahrheit gemordet hat, findet im Glauben an ihm die Wahrheit. Ohne diesen Glauben aber ist alles der Nichtigkeit und der Lüge unterworfen, der Mensch mit seinem ganzen Wesen ist nur ein Schein, nur ein Schatten, wofür es keine Wahrheit gibt.

Nach diesem Kennzeichen der göttlichen Wahrheit wollen wir nun die neuen Lehren dieser Zeit kennen und beurteilen lernen. Verschweigen nützt hier nichts; mir dünkt es im Gegenteil das Beste, wenn jeder selbst mit eigenen Augen sieht. Damit ihr nun aufs gewisseste die Art und Weise dieser neuen Meister kennen lernt, und aus ihren eigenen Worten hört, was sie lehren, und wie sie verfahren, will ich eine eigene Glaubensschrift dieser neuen Lehre, nämlich einen Katechismus1) derselben zu Grunde legen. Ich lege dieses Schriftchen zu Grunde, nicht weil es etwa an und für sich von Bedeutung wäre, sondern weil es noch das allerglimpflichste der Art ist, das mir bekannt ist, und weil es auch in unserer Gemeinde, wie ich höre, schon hier und da Eingang und Anklang gefunden hat. Merkwürdig ist es, dass sonst bei allen bedeutenden Bewegungen doch wahrhaft große Männer an der Spitze standen, während hier so recht die ärmliche Mittelmäßigkeit das große Wort redet; und wenn diese neuen Meister sich rühmen, dass sie durch ihre Wissenschaft zu ihrer Lehre gekommen seien, so ist das wohl die handgreiflichste Selbsttäuschung; denn was jene lehren, kann auch der einfachste Handwerker finden, wenn er es nur wagt, jeden frommen Gedanken zu verleugnen und jedes Verlangen nach Gott zu unterdrücken; und dass in der Weise, wie sie zu Werke gehen, auch kein Gedanke von Wissenschaft mehr ist, das kann auch der ungeübteste Verstand begreifen.

Hören wir nun einiges von den Lehren dieser neuen Weisheit. Auf die Frage: „Woraus lernen wir die Lehre Jesu Christi kennen?“ wird ganz richtig geantwortet: „Aus der Heiligen Schrift.“ Und gegen den Schluss des Werkes heißt es: „Welches ist der Hauptgrundsatz der neuen Kirche? Die Grundlage des christlichen Glaubens soll einzig und allein die Heilige Schrift sein“, wozu dann noch gesetzt wird: „deren Auffassung und Auslegung aber der von der christlichen Lehre durchdrungenen und bewegten Vernunft freigegeben ist.“ Wir sehen also hier, wie ganz richtig die Heilige Schrift als Grundlage des Glaubens angegeben wird; aber wir dürfen uns nicht täuschen lassen; wir werden gleich sehen, welch eine Heuchelei, welch ein Hohn das ist; wir werden gleich sehen, wie sie die Bibel auffassen und auslegen, und von welchem Geist ihre Vernunft durchdrungen und bewegt ist.

Zuerst wird nun in der Auseinandersetzung der Lehre auf einer einzigen Seite ein kurzer Unterricht von Gott gegeben, und in zehn kurzen Fragen ist die Lehre von Gott für immer abgetan. Wir sehen, dass diese neue Weisheit nicht viel von Gott wissen will. Gott wird nun hier richtig als der allmächtige Schöpfer, Erhalter und Regierer der Welt bekannt. Aber selbst hier dürfen wir uns nicht täuschen lassen; denn gleich darauf wird ebenso von ewigen Naturgesetzen gesprochen, durch die alles geworden ist. Wenn man aber von ewigen Naturgesetzen spricht, wie kann man dann noch im Ernste von einem ewigen allmächtigen Gott sprechen? dann wird ja alles wieder seiner Hand entzogen, und unter eine andere Gewalt getan, unter die blinde Gewalt einer bloßen Naturnotwendigkeit. Wir sehen, auch das wenige, was von Gott gesagt wird, ist nicht aufrichtig gemeint. Im Verfolg des Werkes wird es immer klarer, dass Gott nicht als der lebendige, persönliche Gott bekannt wird, der Himmel und Erde erfüllt, sondern Gott verwandelt sich immer mehr zu einem bloßen Gedanken des Menschen. Im Eingang brauchte man eben den Namen Gottes und der Heiligen Schrift; im Verfolg weiß man es schon so zu wenden, dass wenig mehr bleibt.

Nun wird auf die Lehre vom Sohne übergegangen und gefragt: „Wer darf sich Sohn Gottes nennen?“ Und darauf wird geantwortet: „Jeder Mensch“. Und auf die Frage, was der Heilige Geist ist, wird geantwortet: „Der Geist der Wahrheit, der Liebe und Gerechtigkeit, der in dem Menschen wohnt“. Hier sehen wir nun sogleich, wie die Heilige Schrift ausgelegt wird. Jeder Mensch soll von Natur ein Sohn Gottes sein, und der Heilige Geist soll weiter nichts sein, als der Geist des natürlichen Menschen, während die Schrift doch immer auf das schärfste bezeugt, dass der natürliche Mensch nichts vernimmt vom Geiste Gottes. Damit dem göttlichen ja nichts voraus bleibe, und dem natürlichen Menschen nichts entgehe, damit sogleich der Unterschied zwischen Fleisch und Geist verwischt und verdeckt werde, wird im schreiendsten Widerspruch gegen die Heilige Schrift Christus seiner göttlichen Würde beraubt, und der natürliche Mensch Christo gleichgesetzt, begabt mit dem Heiligen Geist, so dass dem Menschen also gar nichts mehr zu erringen ist, dass ihm gar kein Ziel der Vollendung mehr gesteckt ist. Und das alles wird hingestellt, ohne auch nur den geringsten Beweis einzuführen, als ob sich das alles so von selbst verstünde. So ist es, weil es uns so beliebt, das ist der einzige Beweis, die einzige Wissenschaft. Und doch sagen sie, sie schöpfen ihre Lehre aus der Heiligen Schrift. Ist das nicht der bitterste Spott, der bitterste Hohn?

Hierauf wird nun von der Freiheit und der Würde des Menschen gesprochen und gefragt: „Haben die Menschen über die Schwächen ihrer sinnlichen Natur zu klagen?“ Darauf wird geantwortet: „Nein! Indem gerade diese Schwachheiten der sinnlichen Natur ihnen das Glück der Freiheit und Selbstständigkeit gewähren“. Das soll also das Glück und die Seligkeit der Freiheit sein, darin soll die Würde des Menschen liegen, dass er ganz nach Belieben die Triebe seiner sinnlichen - oder sagen wir es gleich mit dem deutlicheren Namen - der sündlichen Natur befriedigen kann. Und nun wird gegen die Lehre von der Erbsünde auf das heftigste geeifert, als ob diese Lehre diese süße Freiheit des Fleisches leugnen und verbittern wolle. Aber die Bibel sagt doch, dass der Mensch gefallen sei? Das ist eben alles nicht wahr, wird geantwortet. Der Mensch ist nie gefallen; er ist ja eben jetzt im vollkommensten Zustand, ein Sohn Gottes, begabt mit dem Heiligen Geist. Darum wird die Lehre von der Erbsünde weiter sogar eine Gotteslästerung genannt, die Gott und den Menschen herabwürdige. Diese Lehre ist aber in der Heiligen Schrift so bestimmt ausgeprägt, dass selbst diese Leugner es nicht völlig leugnen können. Was soll man nun sagen von dieser Wissenschaft? Sie nehmen die Heilige Schrift als die Grundlage ihres Glaubens, und sagen doch zugleich, dass in der Heiligen Schrift Gotteslästerungen enthalten seien.

Ja, welch eine Wissenschaft ist das? Dieser Angriff gegen die Lehre der Kirche ist so kindisch, dass es scheint, als hätten jene die Lehre die Kirche nie gehört oder nie verstanden, oder wenigstens nie verstehen wollen. Hat denn die Kirche je geleugnet, dass dem Menschen in seinem Handeln die Freiheit fehle, dass ihm in jedem vorliegenden Fall nicht die Entscheidung zukomme? Die Kirchenlehre unterscheidet aber zwischen einer doppelten Freiheit, zwischen der bloßen Willensfreiheit oder Wahlfreiheit und zwischen der wahren, wirklichen Freiheit. Die Willensfreiheit oder Wahlfreiheit kommt allen Menschen von Natur zu, sie ist mit dem Begriff des Menschen unzertrennlich. Alles, was der Mensch tut, das Gute wie das böse, tut er nach seinem eigenen Entschluss; ihm kommt es immer zu, sich für etwas zu entscheiden oder es zu verwerfen, und man kann den Menschen wohl töten, aber man kann ihn in Wahrheit zu nichts wider seinen Willen zwingen. Aber ist denn das die wahre Freiheit? Nehmen wir den Begriff der bürgerlichen Freiheit zu Hilfe. Sind nicht auch in dem Staat, in dem die tiefste Sklaverei herrscht, die Menschen nach eigenem Willen gehorsam oder ungehorsam? Gibt es nicht auch in einem solchen Staat Diebe, Räuber und Mörder? Und müsste man nun einen solchen Staat einen freien Staat nennen, weil seine Angehörigen nach ihrem Gutdünken, nach ihrem Entschluss die Gesetze befolgen oder sie übertreten? Müsste man einen Staat deswegen frei nennen, weil es in demselben auch Verbrecher gibt? Die wahre Freiheit ist etwas ganz anderes. Der Bürger ist frei, der sich auf seinem Gebiete ungehindert bewegen darf, der alles tun kann und tun darf, was ihm als Bürger zukommt, der fähig ist, wahre Bürgertugend zu üben, damit das Gute erhalten und eben der verbrecherischen Willkür gesteuert werde. So ist auch nur der Mensch frei, der sich ungehemmt in dem Kreise bewegen kann, den ihm Gott angewiesen hat, der mit freier Selbstbestimmung das tun kann, was seiner Bestimmung und dem Willen Gottes entspricht. Frei ist nicht derjenige, der Böses tut, sondern derjenige, der von seinen bösen Neigungen nicht gehindert wird, überall das Gute zu wollen und zu tun. Die wahre Freiheit ist daher immer zugleich auch Selbstbeschränkung unserer Willensfreiheit. Wer wahrhaft frei wäre, könnte das böse nicht mehr tun, weil er stark genug wäre, mit freier Wahl das Gute zu tun; denn wer sich völlig für das Gute entschieden hat, muss auch völlig mit dem bösen gebrochen haben. Nicht die Wahlfreiheit nun, sich nach Belieben für dieses oder jenes zu entscheiden, sondern die wahre Freiheit, immer nur das Gute zu wollen und zu tun, diese spricht die Kirchenlehre dem Menschen ab. Und wo wäre denn der Mensch, der hier zu widersprechen wagte, wenn er nur noch einen Funken Wahrheitsliebe in sich trägt? Aber von dieser wahren Freiheit, wozu der Mensch nur durch die Gnade der Erlösung gelangt, von dieser Freiheit wollen jene eben nichts wissen; ihnen ist es nur um die Freiheit des Fleisches zu tun, diese möchten sie rechtfertigen, in dieser soll die wahre Vollendung des menschlichen Lebens gefunden werden, und deshalb behaupten sie auch, die Schwachheiten des Fleisches hätten eben in Gottes Willen ihren Grund, sie hätten eben nach Gottes Absichten den Zweck, den Menschen das Glück der Freiheit und Selbstständigkeit zu gewähren. Seht, so erklären jene die Schrift; das nennen sie christlichen Geist, wenn sie den Willen des Fleisches mit dem heiligen Willen Gottes verwechseln.

Aber hören wir nur weiter. Es wird nun gefragt: „Wollen denn nicht auch wir Gnade von Gott?“ Und darauf wird geantwortet: „Nein. Ein vernünftiger und geisteskräftiger Mensch will keine Gnade von Gott, da Gnade vor Recht ergeht, und somit Ungerechtigkeit ist; wir verlangen auch Angesichts des Weltengeistes nur Gerechtigkeit.“ Ihr seid erstaunt, ihr seid vielleicht erschrocken über dieses Wort der Lästerung, denn ist es nicht der Geist des Widerchrists, der aus diesen Worten spricht? Aber ich habe euch nur wörtlich gelesen, was hier geschrieben steht, und was in jenen freien Gemeinden noch viel frevelhafter gelehrt wird. Was kann Gottes Liebe, gegen uns gewendet, anders sein als Gnade? Welch ein Recht könnten wir denn vor Gott in Anspruch nehmen? Kann denn der Ton mit seinen Töpfer rechten? Bedarf Gott wohl unser, oder hätten wir ihm etwas zuvor gegeben, das uns müsste wieder vergolten werden? Sind wir nicht alles, was wir sind, allein durch Gottes Gnade? Und wenn er uns das Recht des Kindes gewährt, ruht dieses Recht nicht allein auf seiner Gnade, da seine Gnade, statt zu richten, verzeiht, statt uns unserem Verderben hinzugeben, uns für seine Seligkeit erzieht? Und jene Menschen nennen jene ewige Liebe Gottes, das einzige Band, das uns an Gott knüpft, das einzige Recht, das wir ergreifen können, eine Ungerechtigkeit. Jeder Pulsschlag unsers Herzens, jeder Gedanke unsers Geistes, jedes Wort der Schrift weist uns hin auf Gottes Gnade, und jene verwerfen und verhöhnen Gottes Gnade, da sie sich in ihrem Dasein gleichberechtigt mit Gott halten, und das Leben des Fleisches für das Glück der Menschen und für ein Leben der Gerechtigkeit erklären. Dann heißt es weiter: „Wer vermag also allein unser Versöhner und Erlöser zu sein? Unser Versöhner mit Gott und unser Erlöser können nur wir selbst sein. Woher kommt es aber, dass die Menschen eine Erlösung durch Christum angenommen haben? Das kommt von dem inneren Bedürfnis des Menschen nach Friede und Glückseligkeit, welche beide durch ihre Fehler so häufig verloren gingen.“ Ihr seht, hier wird alles geleugnet, der Mensch wird ganz von Gott losgerissen, ganz allein auf sich hingewiesen, jede Sehnsucht seines Herzens wird entwurzelt. Es wird zugestanden, dass der Mensch ein Bedürfnis nach Gnade und Erlösung habe; aber selbst diesem Bedürfnis wird kein Recht mehr zugestanden, selbst diese Sehnsucht wird nur noch als eine Schwachheit belächelt und als eine Trägheit verhöhnt.

Aber leugnen sie denn die Sünde gänzlich? nein, sie wissen von allem zu reden; es wird sogar, nachdem die Gnade Gottes verworfen ist, noch von einem künftigen Gericht gesprochen, in dem das Gute belohnt und das Böse bestraft wird. Aber lassen wir uns nicht täuschen. Dieses Gericht besteht nur darin, dass der Mensch aus eigenem Antrieb über begangenes Unrecht sich nicht recht wohl fühlt, und es wird uns gleich an einer anderen Stelle gezeigt, wie leicht man davon frei werden kann, wenn dieser Gedanke etwa irgendeinen beunruhigen sollte. Man brauche seine Sünde, wird gelehrt, nur in seinen Gedanken für ein Unrecht zu erklären, dann sei sie auch vor Gott gesühnt. Die Sünde soll aber nur in unserer leiblichen, sinnlichen Natur ihren Grund haben. Mit dem Tode wird nun der Leib abgelegt; ist aber der Leib abgelegt, so muss es ja der Seele etwas ganz Leichtes sein, von allen Sünden nichts mehr wissen zu wollen, da jede Gelegenheit dazu abgeschnitten ist. Und hat die Seele nur einmal diesen Gedanken gefasst, so müsste sie ja nach dieser Lehre sogleich selig sein. Wir sehen, es hat mit diesem Gericht gerade nicht viel zu bedeuten, es braucht keiner davor zu erschrecken. Wie könnte aber auch ein Mensch, der von Natur ein Sohn Gottes ist, noch im Ernste von Sünde und Gericht reden? Kann denn ein Sohn Gottes eigentlich noch sündigen, eigentlich noch gerichtet werden? Wer nur vernünftig und geisteskräftig genug ist, der weiß schon, was unter diesem allem zu denken ist. Warum wird aber doch von allen diesen Punkten christlicher Lehre gesprochen, da das zugestandene auf der anderen Seite immer sogleich wieder aufgehoben wird? Das ist die teuflische Klugheit dieser Meister; denn, wie ein altes Sprichwort sagt, der Teufel will immer Gott nachäffen, und die Lüge will sich immer in das Gewand der Wahrheit kleiden. Das alles wird gesagt um der Schwachen willen, die noch einige Gewissenhaftigkeit haben, die vor der ganzen Gottlosigkeit dieser Lehre noch zurückbeben würden. Diese werden durch dergleichen Worte noch geschont. Hat man sie nur einmal für die Lüge gewonnen, dann wird ihnen auch schon noch das übrige klar werden, dann werden sie schon zur Höhe ihrer Meister allmählich emporsteigen. So ist alles, was von Gott, was von der Sünde, was vom Gericht gesagt wird, nur ein Schein, und zuletzt bleibt nichts mehr übrig als der Mensch mit dem Willen seines Fleisches. Dass dem also ist, dafür gibt uns eine Stelle über das Gebet das klarste Zeugnis. Zwar wird an einer früheren Stelle das Gebet ein Aufschwung des Geistes zu Gott genannt, und in der Erklärung des Vaterunsers werden wir angewiesen, zu Gott als zu unserem Vater zu beten. Aber endlich werden wir doch eines ganz andern belehrt; denn da heißt es: „Wen sollen wir bitten? Uns selbst. Warum uns selbst? Weil der Gottesgeist sich für jeden am deutlichsten im eigenen Geist offenbart, und wenn wir selbst nur recht wollen, wir auch schon die Kraft haben, gotteswürdig zu sein.“ Hier wird uns also endlich unverschleiert das ganze Geheimnis dieser Lehre geoffenbart. Der Mensch ist sein eigener Gott; er wird gelehrt, sich selbst Altäre zu bauen und sich selbst anzubeten. Alles, was bisher von Gott geredet war, wird zuletzt mit größter Freigebigkeit dem Menschen zugeteilt. Der Mensch bleibt zuletzt alles in allem. Hier beginnt der höchste Götzendienst, der Götzendienst der Selbstvergötterung. Ihr Glaube gründet sich auf jenes Wort der Schlange, des Verführers: Ihr werdet Gott gleich sein. In jenem Wort des Satans findet diese Lüge zuletzt ihr Ende. Hier sehen wir also endlich in Wahrheit nach der Weissagung des Paulus den Menschen der Sünde, das Kind des Verderbens, der da ist ein Widerwärtiger, und erhebt sich über alles, dass Gott oder Gottesdienst heißt, also dass er sich setzt in den Tempel Gottes als ein Gott, und gibt sich vor, er sei Gott. Und finden sie denn auch diese letzten Gedanken des Antichrist noch in der Schrift? Ja wohl; sie stützen sich dabei auf die Worte Christi: Bittet, so wird euch gegeben. Das heißt doch die Bibel erklären! Aber es ist das nichts Neues. Der Teufel wollte ja auch Christo die Schrift erklären, als er ihn in der Wüste versuchte. Freilich benahm sich der Meister der Lüge doch noch etwas klüger, als sich jetzt seine Jünger benehmen.

Weiter wird von den Pflichten des Menschen gesprochen. Hier werden vor allem die Pflichten der Selbsterhaltung, der Selbstachtung, des Selbstvertrauens usw. hervorgehoben. Wir sehen, das liebe Selbst steht hier überall oben an. Ich will aus der Pflichtenlehre nur eine Stelle anführen, nämlich die Stelle über den Selbstmord. Hier heißt es: „Ist der Selbstmord erlaubt? Der Selbstmord ist keineswegs erlaubt, indem er ja schon der Pflicht der Selbsterhaltung widerspricht. Außerdem ist er eine Gewalttat, welche die sittliche Ordnung stört, ein böses Beispiel gibt und, zumeist wenigstens, Jammer und Verzweiflung in den Schoß der Familien trägt. So wäre denn jeder Selbstmörder auf das entschiedenste zu verdammen? Keineswegs; denn oft lassen sich selbst die edelsten Seelen zu diesem traurigen Schritt verleiten. Wir müssen daher sehr milde und schonend in Betreff unseres Urteils bei Gelegenheit eines Selbstmordes sein, da körperliche und geistige Krankheit, allzu großes Zart- und Ehrgefühl, Schwärmerei, ja selbst der Einfluss des Himmelsstriches und der Witterung ihn häufig herbeiführen.“ Ihr seht, es wird wohl mit einigen Gründen der Klugheit und des guten Tons gegen diese Sünde gesprochen; aber dem gesprochenen wird augenblicklich wieder der eigentliche Wert genommen, indem dem Zart- und Ehrgefühl gerade der edelsten Seelen, wie es heißt, ja fast eine gewisse Berechtigung zugestanden wird. Es wird dies aber heuchlerisch unter dem Schein der Milde und Liebe getan, damit Niemand verdamme. Doch das, meine ich, weiß jeder Christ, dass es dem Menschen nicht zusteht, zu verdammen, sondern dass Gott der Richter über alles ist. Wir haben jene Unglücklichen nur zu bedauern und für sie zu beten. Aber hier soll gerade unter diesem Schein der Milde die Sünde selbst entschuldigt, und ihr ein verschönerndes Gewand gegeben werden, das mitunter das Zart- und Ehrgefühl gerade der edelsten Menschen recht hübsch kleidet. Und könnte man denn in dieser Weise nicht eben so gut sagen, dass gerade oft die edelsten Menschen Ehebrecher, Verführer der Unschuld und Räuber gewesen sind? Ja, was könnte man nach dieser Auffassung nicht alles tun, ohne nur im geringsten sein edles Wesen zu gefährden! Muss sich denn ein Ehebrecher, ein Betrüger, ein Meineidiger, der sich selbst anbetet, wenn er nur will, nicht immer noch gotteswürdig finden? Sie lehren ja, was du willst, das brauchst du nur von dir zu erbitten. Wir sehen also, welche Sittenlehre aus diesem Glauben, wenn er seine gehörige Stärke und Zuversicht erlangt hat, hervorgehen muss.

Hierauf folgt ein Abschnitt über die Bibel, worin sie zu einem gewöhnlichen Sagenbuch herabgewürdigt wird, nicht viel mehr wert als das erste beste heidnische Fabelbuch. Hören wir, was von den Propheten gesagt wird. Hier wird natürlich überhaupt jede Weissagung, jede bestimmte Hindeutung auf die Zukunft geleugnet. Dann heißt es: „Sagten denn auch die Propheten das Erscheinen Jesu Christi voraus? Nein. Nie und nimmer hat ein Prophet das Erscheinen Jesu Christi vorausgesagt. Warum deuten aber viele Menschen einzelne Stellen der Propheten auf Christus? Aus Missverständnis und Unkenntnis der Bibel.“ Weiter unten wird aber doch angemerkt, dass die Propheten äußerst schwer zu verstehen seien. Wenn nun diese Lehrer der Weisheit sie nicht recht verstanden hätten? Sie werden sich ja so viele Mühe nicht gegeben haben haben, sie zu verstehen. Doch wie könnte ihnen dieser Gedanke kommen? Christus, die Apostel und alle großen Lehrer der Kirche haben geirrt in der Auslegung der Propheten, obgleich Bethlehem mit Namen als die Geburtsstätte Christi genannt wird, obgleich Jesajas sein Leiden und seinen Versöhnungstod auf das bestimmteste verkündigt. Es soll einmal im Alten Testament nichts von Christo stehen, darum steht nichts darin; und wer anders spricht, der weiß nichts. Das ist ihre Wissenschaft, und ich meine, es ist keine schwere Wissenschaft. Da braucht man die Propheten nicht einmal zu kennen, und man kann sie dabei doch viel besser verstehen als alle anderen.

Nun wird zum Neuen Testament übergegangen. Die Evangelien rühren natürlich nicht von ihren Verfassern her, unter deren Namen sie bekannt sind, obgleich, wenn die Echtheit irgendeines Buches bewiesen werden kann, das Neue Testament hundertmal mehr Zeugnisse für sich hat als ein anderes Buch. Doch was kümmert sie das? Dann heißt es weiter, wir dürften durchaus nicht glauben, was in den Evangelien stehe; denn sie seien von Menschen niedergeschrieben worden, die Christum selbst nicht recht verstanden hätten, und die noch dazu abergläubisch und in Vorurteilen befangen gewesen wären. Die Episteln werden den Aposteln zugeschrieben; aber man habe, was in ihnen steht, durchaus nicht alles für reines Christentum zu nehmen; denn diese Briefe enthielten eine Masse durchaus falscher und irriger Begriffe, da die Apostel ihren großen Meister gar häufig missverstanden hätten. Sehen wir uns dies etwas näher an. Jesus, den sie immer den großen Weisen aus Nazareth nennen, hat sich seine Jünger selbst zu Verbreitern seiner Lehre unter allen Völkern ausgewählt. Man sollte meinen, er würde darinnen etwas vernünftig zu Werke gegangen sein, da doch hier auf eine glückliche Wahl wahrlich viel ankam. Aber dem ist nicht so; nach ihrer Auffassung hat sich der große Weise von Nazareth gerade die allerungeschicktesten, die allertörichsten Jünger gewählt, die er nur hätte finden können. Diese Jünger nun waren drei Jahre beständig um ihren Meister, sie hörten voll inniger Begierde auf jedes Wort von ihm und nahmen alles als himmlische Weisheit zu Herzen; Jesus liebte sie als die, die ihm am nächsten standen, und Johannes lag an seiner Brust. Diese Jünger lehrten immer und einstimmig dasselbe, und gründeten die christliche Kirche, die nun seit achtzehnhundert Jahren die Welt beherrscht, und das Leben der Völker veredelte, in deren Lehren die weisesten und besten der Menschen allen Trost und allen Antrieb zur Tugend fanden. Und sie lehrten etwa nicht in abgelegenen Winkeln der Erde, sie lehrten unter Griechen und Römern, die damals eine Blüte menschlicher Bildung erreicht hatten, wie diese neuen Apostel der Lüge es wohl nicht ahnen mögen, unter denen auch die Lehren dieser neuen heidnischen Weisheit so gar unbekannt nicht waren; sie lehrten zu Korinth, zu Rom, zu Athen, den damaligen Weltstädten, und sie hatten nicht bloß die niedrigsten des Volkes zu Anhängern, Paulus bekehrte auch einen römischen Stattalter. Doch trotz allem dem, sie haben nichts verstanden. Aber in einem könnten auch diese neuen Meister sehen, dass diese Apostel die Wahrheit doch recht gut zu treffen wussten, da sie uns ja voraussagten, dass einst diese Leugner Christi und alles göttlichen kommen werden; sie könnten sehen, wie durch jene Apostel über sie schon das Gericht des heiligen Gottes ausgesprochen ist. Doch in den Augen dieser müssen sie eben deswegen umso mehr geirrt haben. Dagegen siehe nun die Weisheit dieser neuen Meister und staune. Sie werden wohl nie viel nach Christo gefragt haben; sie werden auch nicht sagen, dass Christus sie zu seinen Aposteln berufen habe; sie haben nun nichts als diese angeblich falschen Berichte der Apostel vor sich; aber siehe, sie brauchen alles nur einmal anzusehen oder auch nicht anzusehen, und sie wissen im Augenblick alles, wie es gewesen ist, sie haben sogleich Christum völlig verstanden, mehr als er sich selbst verstanden hat. Bei Christo, dem Meister der Weisheit, konnten die Apostel in drei Jahren fast nur Irrtum lernen; aber bei diesen Meistern kann ein Mensch, mit dem blödesten Verstand begabt, in einem halben Tage in die tiefste Tiefe aller menschlichen und göttlichen Weisheit eingeweiht werden. Siehe, so verschieden sind diese hohen Meister und jene armen Schüler Christi. Aber hier werden die Apostel immer noch gnädig behandelt; sie werden ja noch als die Verfasser der neutestamentlichen Briefe angenommen, weil diese Briefe ihnen noch Niemand abzusprechen wagte. Aber nicht immer wird so glimpflich gegen sie verfahren. Gegen Ende des Buchs, wo es gilt, die Apostel so recht herabzuziehen, werden sie als ganz rohe Menschen geschildert, und es wird als sicher gemeldet, dass keiner von ihnen habe lesen oder schreiben können. Ihr seht, wie man's braucht, so nimmt man's; nur recht frech; wenn man sich auch selbst widersprechen muss. Wenn man, meinen sie, etwas immer und immer mit Kot bewirft, so müsse doch endlich ein Schmutzflecken bleiben; wenn man den Menschen alles ehrwürdige immer und immer lästert, so müssten sie doch endlich in ihrem Glauben erschüttert werden.

Weiter wird dann von Jesu gesprochen; wie, können wir uns wohl denken. Er wird der Sohn der Maria und Josephs genannt. Seine Wunder werden alle nur für Volkssagen erklärt. Er starb wohl am Kreuz; aber es war kein wirklicher Tod, es war nur ein Scheintod. Durch das kühle Grab und die Bemühungen der Seinen kam er wieder zu sich. Und was tat er nun? Er nimmt Abschied von den Seinen, und zieht sich in die Verborgenheit zurück. Und zum Schluss heißt es: „Dies Heimkehren zum Vater stellt die Schrift als eine Himmelfahrt dar“. Liegt in diesen Worten nicht noch recht der volle Hohn der Bosheit? Wie kann man es denn eine Heimkehr zum Vater nennen, wenn Christus in die Verborgenheit sich zurückgezogen hätte, um nicht mehr zu wirken? Mit solchen gleißenden, schönen Worten wollen sie ihre Lästerung verhüllen. Aber woher haben nun diese neuen Meister der Weisheit ihre Nachrichten? Sie sagen: aus der Heiligen Schrift. Aber ist das nicht der bitterste Spott auf die Heilige Schrift, da sie ja alles bis auf den letzten Buchstaben leugnen, was die Heilige Schrift bezeugt? Sie würden sich freuen, wenn sie auch nur die geringsten Quellen für ihre Annahmen hätten; aber sie haben gar nichts, worauf sie sich gründen, als ihren Widerspruch gegen die Wahrheit. Alles, was sie vorbringen, ist ihre eigene Erfindung, hervorgegangen aus ihrer Feindschaft gegen Christum. Und das alles tragen sie nun mit einer Frechheit vor, als ob es alles ausgemacht und über jeden Zweifel erhaben wäre. Mit dieser Frechheit aber wollen sie auf das Volk wirken; mit dieser Frechheit wollen sie das Volk erschüttern und ungewiss machen. Dass diese Gemeinheit sich durch nichts verteidigen lässt, kümmert sie nicht. Sie wollen niederreißen, sie wollen die Massen mit in diesen Strudel ziehen; und für diesen Zweck ist ihnen jedes Mittel erlaubt und heilig.

Sie nennen die Bibel noch Heilige Schrift. Sie sollten doch erröten, wenn sie diesen Namen gebrauchen; ihnen ist ja in der Schrift nichts mehr heilig; sie legen sie ja nur zu Grunde, um alles in ihr zu leugnen, um sie ganz der Verachtung preiszugeben. Doch von Scham wissen sie wohl nichts mehr. Und in welcher Gestalt erscheint Christus, den sie doch immer den großen Meister nennen? Alle Jünger bekennen einmütig, dass Jesus sie ausgesandt habe, seine göttliche Würde und seinen Erlösertod zu verkündigen. Nach der Auffassung jener müsste nun entweder Jesus, der Lehrer der Wahrheit, wie sie selbst sagen, der seine Jünger zu Lehrern aller Völker weihte, und ihnen mit so heiligem Ernst jeden Irrtum benahm, sie gerade in diesem Hauptpunkte auf die unbegreiflichste Weise ohne Zurechtweisung gelassen haben, oder er müsste sie absichtlich auf diese falsche Bahn geführt haben. Die Jünger Jesu verkündigen einmütig die Auferstehung und die Himmelfahrt des Herrn. Diese jedoch sagen, die Jünger hätten das alles ganz anders erfahren. Die Jünger aber besiegelten ihre Predigt von Jesu dem Gekreuzigten und Auferstandenen mit dem Tode; also mussten sie doch wohl von der Wahrheit ihrer Predigt überzeugt sein. Das geben auch jene zu, und doch sagen sie, die Jünger hätten gerade das Gegenteil davon erfahren. Wäre das nicht Wahnwitz gewesen? Und Jesus selbst hätte sich in die Verborgenheit zurückgezogen, hätte, während er doch selbst noch wirken konnte, seine Jünger den Irrtum predigen lassen, hätte eine ganze Welt der Lüge preisgegeben, hätte seine Jünger für diese Täuschung sterben lassen, weil es ihm nicht mehr behagte, tätig zu sein: was soll man zu allem dem sagen? Wenn man diese Menschen von Christo und den Aposteln reden hört, so sollte man meinen, Christus und die Apostel wären, ehe sie ihr Werk begonnen hätten, erst bei diesen Menschen in die Schule gegangen, um alle Heuchelei, allen Trug und allen Lug von ihnen zu lernen, so ganz suchen sie ihr herrliches Bild in das Bild ihrer eigenen Gemeinheit zu verwandeln. Ihr seht also, es ist durchaus kein Zusammenhang, durchaus kein Verständnis in allem, was sie sagen. Ja, wenn auf einem anderen Gebiet des Lebens irgendein Mensch so ohne allen Grund und ohne allen Sinn verfahren würde, wie diese mit dem christlichen Glauben verfahren, man würde ein solches Verfahren nur den Wahnsinn der Bosheit nennen können. Und doch wollen sie Christum loben und erheben? Wir wissen, was das heißt. Judas, du verrätst des Menschen Sohn mit einem Kuss. Es ist die bitterste Feindschaft, der bitterste Hohn unter dem Schein der Verehrung, um gegen die Schwachen nicht zu verstoßen.

Ihr seht, diese neue Weisheit weiß alles zu leugnen; kein Stein wird auf dem andern gelassen. Es ist, als ob man auf dem qualmenden Schutt eines niedergebrannten Heiligtums stehe. Da wird alles geschmäht, alles beschmutzt; da wird kein frommes Gefühl des Menschen unangetastet gelassen, selbst die Sehnsucht nach Gnade wird verspottet und belächelt. Zwar wird immer und immer wieder auf das süßeste von Liebe geredet, und zwar von einer Liebe, die noch viel weiter als Christi Liebe zu gehen scheint. Da wird alles ohne Ausnahme geduldet und ertragen; da wird keinem mehr etwas zugemutet, was ihm nur irgendwie unangenehm sein könnte; da ist nichts mehr notwendig, selbst kein Glaube mehr, und selbst das wenige, was hier vorgetragen wird, wird nicht mehr als Regel hingestellt, sondern jeder kann nach Belieben damit markten, und verwerfen, was ihm verwerflich scheint; da werden auch die Heiden in Schutz genommen, und es wird gezeigt, dass zwischen ihnen und den Christen kein großer Unterschied sei, sondern dass es ziemlich alles auf eins hinaus käme; da ist gegen alles Nachsicht, selbst gegen den Teufel; aber nur nicht gegen die Anhänger Christi; gegen diese ist jene unbegrenzte Liebe nur das Echo von jenem: kreuzige, kreuzige! Und doch ist dieses Lehrgebäude, aus dem ich diese Mitteilungen machte, noch eines der mildesten in seiner Art. Andere reden noch in ganz anderer Weise. Sie sprechen es aus, dass es ihre Absicht sei, in dem Menschen jedes Gefühl Gottes bis auf die letzte Ahnung zu ertöten. Bisher habe man den Menschen immer auf den Himmel vertröstet; aber jetzt müsse man es umkehren. Den Himmel müsse man fahren lassen, damit man die Seligkeit der Erde ungestört genießen könne. Mit einem Wort: Der Mensch soll nur im Dienst der Sinnlichkeit sein, und seinem Fleische soll keine Schranke mehr entgegen stehen. Er soll Gott, Ewigkeit, Tugend und jeden sittlichen Trieb vergessen, um nur für die Materie zu leben. Es ist dies eine Lehre, die tiefer steht als das roheste Heidentum, es ist das vollendete Evangelium des Fleisches, es ist das vollendete Evangelium des Widerchrists, des Satans.

Aber was ist denn der eigentliche Zweck dieser Lehre? Jene wollen sich dadurch ein Heer gewinnen, um ihren Plan, alle bürgerliche Ordnung umzustürzen, zur Ausführung zu bringen. Und ein großer Teil von ihnen verhehlt es auch gar nicht, dass dies der eigentliche Zweck ihres Wirkens sei. Diese Lehre soll nur den Übergang zum Sozialismus und Kommunismus bilden. Ist der Mensch einmal völlig gelöst von Gott, dann gibt es ja nichts mehr, was ihm ehrwürdig und heilig wäre. Dann wird er sich zu allem gebrauchen lassen, was seinem Fleische und seiner Selbstsucht schmeichelt, dann gibt es keine Schranke mehr, und alles ist zu erreichen, was durch Trotz und Gewalt erreicht werden kann. Jetzt ist diese Lehre meist noch bloße Lehre, und sie sucht sich noch hier und da an das vorhandene anzuklammern. Aber lasst diese Lehre einmal Fleisch und Blut gewinnen, last diese Lehre einmal zu einer das Leben beherrschenden Macht werden, und dann wird man sehen, welche teuflische Gräuel des Fleisches aus ihrem Schoße geboren werden. Sie wird ihre Gottesdienste durch Schändung alles göttlichen und menschlichen feiern; sie wird Opfer genug bringen, aber sie wird sie bringen mit dem Beil der Guillotine. Was jetzt in ihrer Lehre noch Liebe heißt, wird einst als die furchtbarste Flamme des Hasses an den Tag treten; diese Liebe wird sich nur sättigen an der Unterdrückung und dem Blute derer, die sich diesem vergötterten Wahn, diesem vergötterten Laster nicht fügen und beugen. Jene Lenker und Leiter wissen vielleicht selbst nicht völlig, welche Macht sie auf den Kampfplatz zu rufen trachten. Sie werden einst vielleicht selbst die Opfer dieser Macht sein; sie werden vielleicht einst selbst von den Wogen verschlungen werden, die sie entfesselt haben. Diese Macht, wenn sie einmal losgelassen ist, wird sich keinen Damm mehr setzen lassen; diese Macht wird zuletzt ihren eigenen Dienern das Schwert zur gegenseitigen Vernichtung in die Hand geben; diese Flamme wird nur verlöschen über dem Schutt des eigenen Herdes derer, die sie entzündet und genährt haben.

Ich habe euch, meine Lieben, dieses Gemälde entfaltet, nicht um der Neugier zu dienen, nicht um euch zu erschrecken, nicht um als Eiferer euch zum Hass zu entflammen, obgleich man mich vielleicht freigebig mit diesem Namen belegen wird. Doch das kümmert mich nicht; wer gegen den Geist der Welt kämpfen will, der muss auch die Feindschaft und den Hass der Welt tragen können. Mich leitet allein der Gedanke, meine Pflicht als Lehrer der Gemeinde zu tun, und euch zur Wachsamkeit aufzufordern, indem ich euch die Gefahr vor Augen stelle, die unserer Zukunft droht. Auf alles andere habe ich keine Rücksicht zu nehmen. Dass aber meine Besorgnisse nicht ohne Grund sind, dafür gibt das Schicksal Frankreichs gegen Ende des vorigen Jahrhunderts Zeugnis. Ganz derselbe Geist, der damals herrschend war, ist es auch, der jetzt in unserem Vaterland auftaucht, und alle freien Gemeinden eilen diesem Ziele entgegen, wenn sie auch den eigentlichen Kern ihrer Lehre noch hier und da zu verhüllen suchen. Auch in unserem Staate sind diese freien Gemeinden bestätigt und geduldet; jene mögen es verantworten, durch die es dazu gekommen ist. Gebe Gott, dass sie und wir nicht einst die Folgen dieses Entschlusses zu beklagen haben. Es gibt auch für die Freiheit des Glaubens eine Grenze, die nicht überschritten werden darf, ohne dass alle bürgerliche Ordnung in die größte Gefahr kommt; und unsere Vorfahren würden eine solche Lehre nicht mehr Freiheit, sondern mit dem rechten Namen Gottlosigkeit genannt haben. Der Staat sucht Verbrecher unschädlich zu machen; darf er nun eine Lehre öffentlich verkündigen lassen, die darauf ausgeht, alle Sittlichkeit im letzten Keime zu vernichten? Auch der Staat kann nicht mehr bestehen, wenn die letzte Scheu vor Gott aus dem Herzen der Menschen gerissen ist. Und ihr werdet sehen, dass es jenen Predigern des ausgesprochendsten Unglaubens nicht an Anhängern fehlen wird. Sie sind von der Welt, sagt unser Text, darum reden sie von der Welt, und die Welt hört sie. Gar viele sehnen sich nach dieser Freiheit des Fleisches, die von jenen verkündigt wird, und vielen fehlt nur ein Mann, der sich an die Spitze stellt, um sich um ihn zu scharen, und ihre Zustimmung zu diesem Evangelium des Fleisches zu erklären. Wenn dieser Geist zur Herrschaft gelangen sollte; dann wehe unserem armen Vaterlande; dann steht es vielleicht schon am Abgrund des Verderbens, während viele noch vom Glück der Zukunft träumen; dann wird es vielleicht bald von einer Barbarei überflutet, durch die jeder edle Keim der Bildung vernichtet und alle wahre Menschlichkeit ertötet wird. ich hoffe, dass unser Volk noch nicht zu sehr von dieser Krankheit ergriffen ist; ich hoffe, dass in unserem Volk noch so viel gesunder Sinn, noch so viel Frömmigkeit wohnt, um dieses Gift auszustoßen, und nicht bis zur Vernichtung wirken zu lassen.

Doch meine Lieben, ich wende mich nun an euch. Tut auch ihr das eure, dass durch eure Schuld Niemand verloren gehe. Tut eure Pflicht als Väter und Bürger, damit eure Familie, eure Gemeinde, euer Vaterland nicht dem Verderben preisgegeben werde. In der Zeit der Gefahr muss jeder, der es redlich mit dem Guten meint, sich auch mit allem Ernst dem Bösen entgegensetzen; in der Zeit der Gefahr ist es nicht genug, dass man mit dem Feinde nur keine Gemeinschaft hat, sondern man muss dem Feinde auch mit seiner ganzen Manneskraft entgegen wirken, in der Zeit der Gefahr ist auch der Gleich gültige schon ein Verräter. Ich habe euch nun offen gezeigt, wohin dieser Unglaube der Zeit endlich führen wird, damit ihr nicht getäuscht werdet. So haltet denn fest an der Richtschnur der Wahrheit, die uns von dem Apostel in unserem Text gegeben wird. Nur wer von Herzen bekennt, dass Jesus Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, der Erlöser der Menschheit ist, der ist aus der Wahrheit. Dieses Bekenntnis ist die einstimmige Lehre der Apostel und der ganzen christlichen Kirche bis auf heute herab. Nur in diesem Glauben findet der Mensch Frieden der Seele, Kraft zum Guten und die Hoffnung einer göttlichen Vollendung. Wer anders lehrt, der ist aus der Lüge, ist ein Feind Christi, ist getrieben von dem Geist des Widerchrists. Ich weiß wohl, man sucht, um leichter zum Ziele zu gelangen, uns Prediger immer zu verleumden, als ob wir nicht recht wüssten, was wir predigten, oder als ob uns unsere Predigt nicht von Herzen ginge. Aber ich meine, wir wissen so gut als jene, was und warum wir predigen; der Unterschied ist nur der, dass wir dem Herrn dienen, jene aber der Welt und dem Fürsten dieser Welt. Wir predigen nicht unsere Weisheit, sondern Christi und der Apostel Lehre, denen, die verloren werden, ein Ärgernis und eine Torheit, denen aber, die selig werden, göttliche Weisheit und göttliche Kraft. Unser Meister ist Christus; jene aber wollen Christi Meister und Christi Richter sein; jene wollen mit der Weisheit des Fleisches Christi Wort und Christi Lehre verdammen. Und ob es uns Ernst ist mit unserer Predigt, darüber wird einst der richten, der ins Verborgene sieht. Uns ist es ein kleines, ob wir von Menschen gerichtet werden, wenn wir nur vor Christo, unserem Herrn, treu erfunden werden, der unser einziger Trost und unsere einzige Hoffnung ist. Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen sie sollen selig werden, als allein der Name Jesu Christi. In diesem Glauben will ich leben, in diesem Glauben will ich sterben. Und wenn alles untreu werden wollte, wenn uns auch diese Tempelhallen genommen würden, ihn kann man auch unter dem hohen Dom des Himmels verehren, ihn kann man auch auf Gassen und in Wäldern predigen. Ihn wollen wir verkündigen, ihn wollen wir verehren im Glück und im Unglück, in Ehre und in Schande, im Leben und im Sterben, ihn, den ewigen Sohn des Vaters, hochgelobet in alle Ewigkeit.

Meine Lieben, bleibt treu eurem Heiland, lasst euch durch nichts von seiner Liebe scheiden. Bewahrt euch und die Euren vor dem Verderben der Zeit. Oder wollt ihr auch hingehen, um dem Wahnsinn der Zeit, dem Geist des Widerchrist als Opfer zu fallen? Draußen in ihren stillen Kammern ruhen eure Väter, die in der Hoffnung auf den Herrn selig entschlafen sind. Sie haben einst für die reine Lehre des Evangeliums kein Opfer gescheut; sie waren fähig, Gut und Blut für ihren Glauben an den Erlöser hinzugeben. Wollt ihr nun ihre Gräber schänden? Wollt ihr ihr herrliches Erbe mit Füßen treten? Wollt ihr euch losreißen von allem, was jenen einst teuer und heilig war? Nein, das wollt ihr nicht, das könnt ihr nicht. ihr Väter dieser Stadt, in deren Hand euer und der Euren Glück gelegt ist, wacht über euch selbst, über die Euren und über die Gemeinde, dass dieser Geist des Widerchrists unter uns keine wohlbereitete Stätte finde. Zeigt in dieser Zeit der Gefahr mit Wort und Tat euren Eifer für euren Glauben, eure Liebe zu dem Herrn; lasst es erkennen, dass ihr mit den Euren dem Herrn angehören wollt. Lasst eure Häuser Tempel des Herrn sein, in denen seine Ehre wohnt und sein Geist alles belebt und beseelt; tragt die Schwachen, weist die Irrenden zurecht, lasst der Bosheit nicht Raum, und wirkt mit allen Kräften, dass das Reich des Herrn unter uns immer fester gegründet werde. Oder könntet ihr den Gedanken ertragen, dass einst eure Nachkommen jenem Geist des Widerchrists huldigen sollten, dass einst in euren Häusern jene Gottlosigkeit herrschen sollte? Ihr Mütter, die ihr euch freut über eure heranblühenden Kinder, würdet ihr einst nicht darüber trauern, dass ihr geboren habt, würdet ihr einst nicht die Unfruchtbaren glücklich preisen, die nicht geboren haben, wenn eure Kinder diesem Wahnsinn der Zeit folgen sollten?

O darum bleibt treu dem Herrn, und erzieht die Eurigen in der Liebe zum Herrn. Und sind wir nur treu, der Herr ist treu, der uns berufen hat. Er wird unsere Liebe segnen mit seinem Wohlgefallen; er wird uns nicht verlassen noch versäumen; es wird eine himmlische, eine ewige Frucht aus dem erblühen, was in Schwachheit und unter Tränen gesät ward. Mag die Zeit bringen, was sie will, er wird uns und die Unseren erretten in aller Trübsal. Sind wir nur treu, mögen sie dann fallen zur Linken, mögen sie fallen zur Rechten, uns wird kein Übles begegnen, dass Heil kann uns Niemand nehmen, und mit Liebe wird der Herr uns zu seiner Vollendung führen. Mögen sich auch alle Wasserwogen erheben, seine Kirche ist gegründet auf einem sicheren Fels, an ihm werden zerschellen müssen alle Wogen, und die Seinen kann ihm Niemand aus seiner Hand reißen. Ist er für uns, wer mag wider uns sein? In ihm ist unser Heil sicher und ewig gegründet.

Herr, unser Heiland, wenn dich auch alle Welt wieder richtet und verwirft, wir wollen dein Eigentum sein. Wo sollen wir hingehen vor dir? Du hast Worte des ewigen Lebens. Richte noch nicht deine Feinde, schone noch, rette noch! Nimm du dich der Schwachen, der Verführten an. Beuge die Stolzen, erhebe die Gebeugten. Sieh gnädig auf uns; denn wir sind dein Eigentum, durch dein Blut erkauft. Erhalte uns in deiner Liebe; stärke uns, mit dir zu leben, mit dir zu leiden, und wenn es sein muss, mit dir zu sterben. Bei dir ist ja alles Seligkeit; bei dir ist selbst der Tod kein Tod mehr, sondern Leben. O Herr, wie gut ist es, bei dir zu sein! O dass bald käme das Reich deiner Herrlichkeit! Doch du wirst kommen, du wirst uns vollenden, und über uns wird aufgehen der ewige Sabbat Gottes. Ja du wirst alles herrlich vollenden, du ewiger Sohn des Vaters; dir sei Lob, Preis und Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen!

Wesen und Ziel der antichristlichen Bewegungen der Gegenwart
Predigt über 1. Joh. 4,1-6, gehalten am Sonntag Judica in der Dreieinigkeits-Kirche zu Regensburg
Von Christian Klaus Kunel, Stadt-Vicar
Regensburg.
Gedruckt und zu haben bei Julius Heinrich Demmler

1)
Katechismus der christlichen Vernunft-Religion von Heribert Rau. Stuttgart. 1848.
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